Nervosität & Unruhe 5 Helfer auf dem Weg zu mehr Gelassenheit und Entschleunigung von philipp feichtinger Ein regelmäßiges und gefühlt an Häufigkeit zunehmendes Thema in meiner Praxis als auch in der öffentlichen Aufmerksamkeit sind Beschwerden wie dauerhafte Unruhe und Nervosität. Wenngleich diese lange Zeit als diffus wahrgenommen und auch ignoriert werden, so sollten diese Signale des Körpers weder unterdrückt noch missachtet werden. Unter der Oberfläche können komplexe Mechanismen ein durchgehendes Leben auf Hochspannung fördern. So wichtig es ist, sich professionelle Hilfe zu suchen, so sehr sind wir auch angehalten, präventiv, aber auch frühzeitig, selbstaktiv tätig zu werden, um Nervosität und Unruhe auszugleichen. Werfen wir daher einen Blick auf verschiedene Möglichkeiten, die natürlich den Gang zum Arzt oder jegliche Medikamente nicht ersetzen. Abläufe im Körper Sowohl unser Gehirn als auch in weiterer Folge der Körper reagieren auf Stress auf Grund „urzeitlicher Mechanismen“. So gab es bei Gefahr zwei Reaktionswege „Flucht“ oder „Kampf“. Bei beiden wird vermehrt Energie benötigt, die durch die vermehrte Ausschüttung von Stresshormonen, zunehmende Abgabe an Zucker ins Blut, Erhöhung der Muskelkraft und Zunahme von Atemund Herzfrequenz ermöglicht wird. Sobald die „Gefahr“ vorbei war, kamen Körper, Geist und Seele zur Ruhe und konnten sich regenerieren. Das dafür verantwortliche Vegetative Nervensystem mit den beiden gegensätzlichen Kräften Sympathikus, aktiver Anteil, und Parasympathikus, passiver Anteil, können sich so immer wieder die Waage halten. Dieser nicht willkürlich steuerbare Bereich des Nervensystems ist u.a. für Verdauungs- und Ausscheidungsvorgänge, Bronchien, Beschaffenheit der Blutgefäße (Weite oder Enge) uvm. zuständig. Heute geht man von einer dritten Stressreaktion, dem sogenannten „Freeze“ (Erstarrung) aus. Das heißt, die oben beschriebenen körperlichen Vorgänge bleiben dieselben, doch aus verschiedensten Gründen „erstarren“ wir innerlich oder äußerlich. Die zusätzliche Energie bleibt dann wie „eingeschlossen“ in unserem System. Hinzu kommt, dass, wenn der „Gefahrenmodus“ über längere Zeit aufrechterhalten wird und unser Körper dauerhaft einen gewissen Stresshormonspiegel gewöhnt ist, das natürliche Zurückkehren in den „Normalzustand“ sehr viel schwerer möglich wird. Regenerationsphasen fallen dabei so gut wie durch den Rost. Zum einen muss das Zuviel an Energie irgendwo hin, zum anderen kann das Stresslevel bereits so hochgefahren sein, dass es Zeit braucht, dies bewusst zu senken. 5 mögliche Helfer bei Unruhe Jeder Mensch nimmt Unruhe und Nervosität unterschiedlich wahr: Der eine spürt ein Kribbeln am ganzen Körper, der andere kann seine Gedankenflut kaum stoppen, der dritte fühlt sich ständig getrieben von seiner Aufgabenliste und der vierte nimmt möglicherweise ein subtiles Unwohlsein wahr, das bleibt. CHI 88
Es gibt also nicht die „eine“ Unruhe, sondern je nach Persönlichkeitsstruktur verschiedene Äußerungsformen. Daher möchte ich dir in diesem Text auch eine möglichst vielschichtige Bandbreite an kleinen Helfern vorstellen, damit du dir daraus dein eigenes Programm für mehr Gelassenheit, Resilienz, inneren Frieden und Wohlbefinden zusammenstellen kannst. Die folgenden fünf Wege sind individuell und könnten natürlich erweitert werden. Meiner Erfahrung nach bilden sie einen guten Mix: Auffinden der „Ruhe-Hemmer“ Definiere für dich: Wie möchtest du dich statt deinem momentanen Zustand fühlen? Wie stellst du dir diesen Zustand vor? Wann hast du dich schon einmal so gefühlt? Anhand dessen kannst du nun herausfinden, was hält mich davon ab, diesen Zustand wieder regelmäßig wahrnehmen zu können? Du kannst auch überlegen, auf welche Reize (Situationen, Worte, Nachrichten, Menschen …) reagierst du besonders emotional oder überschießend? Erkenne für dich, was dein inneres Gleichgewicht hemmt. Möglicherweise gibt es Dinge in deinem Alltag, die bereits veraltet sind und dich von Zufriedenheit und Wohlbefinden abhalten. Ist die Rechnung deines Tuns kostendeckend oder hebst du ständig mehr von deinem Energiekonto ab als du einbuchst? Dies erscheint mir eine der wichtigsten Überlegungen, auch in Anbetracht von Burnout und Überlastungssyndromen. Werden Körper und Geist ständig „angereizt“ mit dem Gefühl, nie fertig zu werden oder stets weitere To-do's offen zu haben, können sich Unruhe und Nervosität entwickeln. Das ist vergleichbar mit einem Auto, das ständig den Motor anhat, auch wenn es gar nicht notwendig wäre. Die Einstellung ist so: Es könnte ja sein, dass ich plötzlich irgendwohin fahren muss. In der Realität würden wir das kaum tun, doch bei uns selbst berücksichtigen wir das eher weniger. Daher mein Tipp: Reflektiere regelmäßig, was kann und willst du leisten und was wird von dir gefordert bzw. erwartest du selbst von dir. Gegebenenfalls heißt es dann: Aufgaben reduzieren oder Nein sagen. Natürliche Begleiter Je früher wir Körper, Geist und Seele als Einheit wahrnehmen und verstehen, dass sie perfekt aufeinander abgestimmt sind, desto besser können wir Dysbalancen auch noch mit natürlichen Mitteln entgegenwirken. Beispiele hierfür wären ätherische Öle. Daher mein Tipp: Definiere, wie dein Wunschzustand sein soll und was dich davon abhält. Abschätzen zwischen Anforderungen und Leistbarkeit Selbstreflexion ist angesagt: Aus Furcht, Nein zu sagen, jemanden zu verletzen, den Job oder andere Menschen zu verlieren, halsen wir uns teilweise mehr auf, als wir bewältigen können. Eigener Idealismus und Perfektionsdenken können den persönlichen Aufgabenberg ebenso in die Höhe treiben wie fehlende Unterstützung. Sei es, dass wir sie nicht nutzen oder einfordern. Daher ist es ganz wichtig, immer wieder zu überprüfen, was du momentan leisten kannst, und was andere bzw. du selbst dir gerade abverlangen. Deckt sich dies oder gehst du in eine langfristige Überbelastung. Kurz: CHI 89
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